Mittwoch, 23. Dezember 2009

mein morgen, 23.12.09

--> Hier zu Daniels Blog
--> Hier zum Forums Thema dazu

nachdem ich gestern mit Vizepräsident Fischer noch über eine FRIEDLICHE Lösung für ein mögliches Ende der Besetzung sprach erscheint das was heute morgen passiert ist irgendwie paradox...

um 6.43 erreicht mich eine sms aus dem audi, es werde geräumt. Ich versicherte mich schnell, das das ernst sei, und schickte eine SMS über alle Verteiler, die zur Verfügung standen. Die SMS gingen um 6.46 an alle auf der Liste.

Ich mach mich schnell fertig, bin um ca. 7 am Audi. Der Taxifahrer berichtet davon, das ja immer gesagt werde, das Studiengebühren alles besser machen würden, und wie dreist er diese Lüge findet.

Überall Mannschaftswagen, ich stehe vor dem Audimax, das von Polizei gesichert wird. Die Beamten wünschen einen guten morgen, ich sage nichts. Auf die Frage, was ich denn hier zu wollen habe, reagiere ich genervt, aber keinesfalls beleidigend.

Ich stehe auf der linken seite vor dem Audi und sehe Frau Löschper umkreist von ca. 30 Polizisten im Audimax. Da zu diesem Zeitpunkt nicht klar ist, wie die Situation drinnen ist, kopfe ich an die Scheibe, um Frau Löschper auf mich aufmerksam zu machen und Verhandlungen mit den Besetzern anzubieten und eine aus derzeitiger Sicht mögliche gewalttätige Eskalation zu verhindern, welche ich zwar für eher unwahrscheinlich aber nicht unmöglich hielt.

Frau Löschper kennt mich, da ich schon mehrmals mit ihr telefoniert und sie auch getroffen habe, persönlich. Ich versuchte sehr oft, einen Kontakt zwischen Besetzern und Frau Löschper herzustellen, um in konstruktive Verhandlungen zu treten. Das Treffen am 8. Dezember hatte ich zu diesem Zweck persönlich mit ihr angeschoben.

Nachdem Frau Löschper zu verstehen gab, sie habe kein Interesse daran, auch nur zu hören, was ich zu sagen habe (was zu diesem Zeitpunkt und bei anwesenheit von dutzenden Polizisten nicht das allergeringst Risiko für sie bedeutet hätte) war ich enttäuscht darüber. Wenn mir zu diesem Zeitpunkt jemand gesagt hätte, das die Situation drinnen bereits auf dem besten Weg war, "friedlich" gelöst zu werden, hätte die folgende Eskalation vielleicht verhindert werden können.

Dann ging alles sehr schnell. Binnen weniger Sekunden bekam ich einen Platzverweis. Diesem wollte ich folge leisten, mir jedoch noch vor dem Audi eine Zigarette anzünden. Dies wurde mir verboten, wobei ich mich nicht an das Verbot hielt, und mir eine Zigarette in den Mund steckte und sie anzünden wollte.
Daraufhin schlug mir einer der umstehenden Polizisten ohne Androhung und völlig unvermittelt mit der Faust mitten ins Gesicht (er sollte später behaupten, ich hätte ihn (zuerst) ins Gesicht geschlagen).

Meine Nase fing sofort heftig an zu bluten und ich wurde von 4 weiteren Polizisten zu Boden in den Schnee geworfen, mein Gesicht auf den Boden gedrückt.
Sofort versuchte ich klar zu machen, wie sinnlos diese gewalttätige Vorgehen war und bat darum, aufstehen zu dürfen. Ich habe selbst dort am Boden liegend nicht den geringsten Versuch unternommen, mich gegen die Festsetzung zu wehren.

Ich durfte, trotz der offensichtlichen ÜberMacht der Beamten nicht aufstehen, mein Gesicht wurde weiter auf den Boden gedrückt, die Beamten blieben auf mir, bis sie mir plastikfesseln so stramm angelegt haben, das ich Schnittverletzungen davontrug. Es gelang ihnen später auf der Wache nur mit größter Mühe, sie mittels einer Zange wieder zu entfernen.

Ein Polizist fragt mich, ob ich öfters Nasenbluten habe?

Nachdem ich aufstehen durfte, wurde ich weiter von 2 Polizisten gegen die Glaswand des linken Audimaxeinganges gedrückt. Mein Gesicht lag press an der Scheibe an. Drinnen sah ich Frau Löschper, und sie sah mich auch. Statt sich dafür einzusetzen, dass dieser Quatsch ein Ende findet, lachte sie augenscheinlich zusammen mit den Polizisten über mich.

Ich wurde vor Ort nach Waffen durchsucht, die ich natürlich nicht dabei hatte. Nach einigen Minuten an der Scheibe klebend wurde ich ein einen Gefängniswagen gebracht, und zum Revier 17 gefahren. Meine Nase blutete immernoch...Dort wurden dann nach langen Bitten die Handfesseln entfernt und bekam freundlicherweise endlich ein Taschentuch für meine Nase gereicht. Ich musste meinen Pullover ausziehen, meinen Gürtel abgeben. Meine übrigen Sachen wurden mir bereits vorher "abgenommen".
(Ein gewisser Sadismus muss vor allem auch bei der Sache mit den Plastikfesseln angenommen werden, weil man mir auch ohne weiteres Handschelle hätte anlegen können)

Ohne Jacke und Gürtel kam ich in eine Zelle, die eiskalt war. Meine Kleidung nass vom Schnee. Dort wartete ich ca. 40 Minuten, ich sollte dem Staatsschutz und der Kripo vorgeladen werden, wozu es nicht mehr kam. Meiner Bitte, die Heizung anzustellen wurde nicht nachgekommen.
Ein Telefonat mit meinem Anwalt wurde mir trotz mehrmaligem Bitten nicht gestattet.

Aus der Zelle konnte ich hören, wie das "Hartgeld" in meinem Portmonai gezählt wurde, 3Euro 16. Irgendwann bekam ich meine Sachen zurück und man ließ mich gehen...

Zu dem Vorwurf, ich hätte den Polizisten zuerst ins Gesicht geschlagen sage ich das folgende:

Das ist eine Lüge, sonst nichts. Geäußert im Nachhinein, um das extrem brutale und überflüssige Verhalten zu rechtfertigen. Die Polizei selbst stand die ganze Zeit mit einer Videokamera vor mir und filmte den Vorfall. Dort ist das zu sehen, was ich hier schreibe!

Es gibt eine 2. Videoaufnahme aus dem Umfeld der Besetzer, die noch ausgewertet werden muss und dann auch publiziert werden wird.

1. Lehne ich Gewalt gegen Polizisten ab.
2. Habe ich in meinem ganzen Leben noch nie jemanden ins Gesicht geschlagen.
3. Warum hätte ich in meiner Position alleine "gegen" 50 Polizisten, bewaffnet mit Schlagstöcken und Sicherheitsmontur, eine Eskalation durch einen Angriff auf einen Polizisten erzwingen sollen??

So, es ist nun 12. ich bin noch ein bisschen unter Schock, ob der Dinge, die geschehen sind. Ich bekam so deutlich wie nie die willkür der Staatsmacht zu spühren, und das schockiert mich nach wie vor sehr. Wie Beamte, die das alles mitbekamen, das waren wie beschrieben dutzende, einfach daneben stehen können und diesen Akt unkommentiert geschehen lassen, macht mich sprachlos. Vom Verhalten der Präsidentin nach dem Angriff auf mich ganz zu schweigen.

Ich selbst schrieb in vielen Blogeinträgen immer wieder auch sehr kritische Kommentare zur Besetzung, sprach und spreche mich aber nach wie vor für friedliche und konstruktive Lösungen aus! Das ich nun selbst heute morgen Opfer von Polizeigewalt und Willkür geworden bin, macht mich um so fassungsloser.

Oft, wenn ich bislang gehört habe von Polizeigewalt und Willkür habe ich ehrlich gesagt oft gedacht, da wird schon eine gewalttätige Provokation vorgelegen haben. Niemand würde einfach ohne Grund zum Opfer. Seit heute morgen ist mir diese scheinbare Naivität genommen.

Und auch wenn ich in meiner Persönlichkeit so weit gefestigt bin, dass mich dieser Vorfall nicht zu aggressiven Reaktionen verleiten wird, muss doch jedem Polizisten, der sich so verhält auch klar sein, dass ein solches "Erlebnis" einen vielleicht jungen Menschen radikalisieren kann. Ein weiterer Grund dafür, warum das Verhalten völlig destruktiv war!

Rechtliche Schritte gegen den/die Beamten werde ich einleiten, Presseanfragen und Beileidsbekundungen nehme ich gern unter 0176 78764119 entgegen.

Ein frohes Fest allen Bildungsstreikenden! Auf eine frohe Weiterführung & Konstruktivierung des Protestes an der Universität Hamburg, in Deutschland, Europa und Weltweit!

Daniel Amon

18 Kommentare:

  1. Sauerei was dir da passiert ist! Hoffe du kannst was erreichen gegen das UNRECHT was dir angetan wurde... Mit dem Video / den Videos sollte das ja kein Problem sein!

    AntwortenLöschen
  2. alle streikenden zum gerichtstermin, dann wird der richter dem öffentlichem interesse unterlegen

    AntwortenLöschen
  3. genau mach bitte den termin öffentlich bekannt, es wird solidarität von vielen seiten gezeigt.
    ich fühle mit dir und hoffe du hast den schock überstanden

    AntwortenLöschen
  4. Ich finds mies was dir passiert ist. Und ich denke es werden sich viele Leute mit dir solidarisieren. Allerdings muss ich bemerken, das ein Gedächnisprotokoll wie dieses zwar gut ist, aber nicht wenn es öffentlich gemacht wird. Denk dran ALLE können dies hier lesen. Also nimm dies am besten vom Netz, sprich mit einem Anwalt/einer Anwältin und schaut zusammen wie ihr weiteren Schaden begenzen könnt. Und dann heißt es warten ob von der Polizei überhaupt was kommt.
    Soli Greetz

    AntwortenLöschen
  5. Moin, ich bedaure es sehr, dass Du das durchgemacht hast. Ich begrüße es sehr, dass Du in der reflektierten und differenzierten Art, die ich von Dir kenne, damit umgehst. Ich wünsche Dir gute Besserung, ruhige und erholsame Feiertage und eine erfolgreiche Verhandlung.
    Greetz 'n sun,
    EvoluSiN

    AntwortenLöschen
  6. Hallo Daniel,
    was dir geschehen ist passiert überall, tag- täglich und es ist immer wieder eckelhaft! Aber es ist wichtig, dass aus solchen Situationen gelernt wird, wie mit diesem Staat und ihren Repressionen umgegangen werden soll! Vor allem ist es wichtig aus gemeinsamen Erfahrungen zu lernen. Also nimm bitte den Vorschlag sehr ernst, dass du dein Gedächnisprotokoll aus dem Netz löschen solltest! Eine Veröffentlichung führt dazu, dass die Polizei all deine Argumente kennt und ihre Darstellung diesem anpassen wird. Aber dann ganz sicher so, dass es gegen dich verwendet wird! solidarische Grüße!

    AntwortenLöschen
  7. Wie geht es nun weiter?
    Gibt es eine offizielle Stellungsnahme der Polizei dazu. (Die ja nun von Bürgern dieser Stadt mitfinanziert wird) Schweigen die einfach? Müssen sie das Polizeivideo veröffentlichen? Halt uns bitte auf dem Laufenden!

    mfg
    Basti

    AntwortenLöschen
  8. .. Daniel redet doch mal so und mal so - könnte Politiker werden. Lustig finde ich seine Einschätzung an seinem Beitragen zu dem Ganzen.

    AntwortenLöschen
  9. Danke für den erschütternden Bericht und alles Gute! Zu dem Vorschlag, den Bericht wieder aus dem Netz zu nehmen: das dachte ich auch zuerst, wäre jetzt aber eh zu spät, da die Polizei sicherlich schon hier vorbeigeschaut hat. Immerhin scheint ja aber das Dezernat Interne Ermittlungen eingeschaltet worden zu sein. Auch die Existenz von Videomaterial zu dem Vorfall sollte umstehenden Polizist_innen sowie der sich selbst diskreditiert habenden Frau Löschper zu denken geben, bevor sie sich aus dem vielzitierten Korpsgeist heraus eventuell zu Falschaussagen zu Ungunsten des Autors hinreissen lassen. Eine bittere Ironie, dass soetwas ausgerechnet den Leuten passiert, die den Weg der Verhandlung der Konfrontation vorgezogen haben.

    AntwortenLöschen
  10. Die Angemessenheit des Schlages ist sicher fraglich, aber von einer Hundertschaft verhaftet zu werden ist nunmal kein Kaffeekränzchen. Die Leute erleben so einiges, pöbelnde, randalierende, gewaltbereite Leute, die nicht selten die Polizisten verletzen. Dass man da nach einem nicht befolgten Platzverweis eher rau wird, kann ich auch verstehen.
    Dass so ein Erlebnis einen erstmal schockt, kann ich verstehen, aber das ist ja mit Sicherheit auch so gewollt. Wer wattierte Handschellen angelegt und den Kaffee zum Mund geführt bekommt, hätte beim nächsten Mal wohl weniger Respekt.
    Und was ist dir schon groß passiert? Eine blutige Nase und ein paar ungemütliche Stunden. Deswegen jetzt die unbarmherzige Staatsgewalt anzuprangern ist viel Wind um nichts. Lass Dich mal in ein paar anderen Ländern verhaften, da wirst Du Dir Deutschland zurückwünschen.

    AntwortenLöschen
  11. Den letzten Vergleich zu Verhaftungen in anderen Ländern kann ich nicht so stehen lassen. Nur weil es anderswo schlimmere Zustände gibt, können wir hier nicht unsere Standards und die Menschenwürde herabsetzen. Ganz grundsätzlich. Und ich würde hier schon von Körperverletzung sprechen, auch wenn es "nur" um eine blutende Nase geht.

    AntwortenLöschen
  12. Rein aus Neugier die Frage, warum musstest du dir trotz Verbot unbedingt noch eine Zigarette anzünden wollen?

    Klingt so als hättest du da erst noch etwas rumlamentiert, statt dem Platzverweis gleich zu folgen.

    Wie gesagt nur Neugier, will jetzt nicht die Festnahme rechtfertigen.

    AntwortenLöschen
  13. Gib nicht auf und unternehm dein allernötigstes gegen die willkür der staatsmacht!!

    All Coulours Are Beautiful!!!

    Solidarität aus Nürnberg

    AntwortenLöschen
  14. "Oft, wenn ich bislang gehört habe von Polizeigewalt und Willkür habe ich ehrlich gesagt oft gedacht, da wird schon eine gewalttätige Provokation vorgelegen haben. Niemand würde einfach ohne Grund zum Opfer. Seit heute morgen ist mir diese scheinbare Naivität genommen." qfe

    AntwortenLöschen
  15. Ich finde es in höchstem Maße extrem das hier einige versuchen die Situation zu verharmlosen ich kenn das Opfer nicht und gehöre nicht zu den Leuten bei jeder Kleinigkeit schreien wo sind die Grundrechte. Doch wenn jemand ohne jegliche offensichtliche Provokation solch eine Rechnung von seitens der Polizei ausgestellt bekommt, ist heftig. Der Vergleich mit anderen Ländern ist Anmaßend. Wir haben eine Verfassung auf die wir mit gutem Recht Stolz sein könnten. Da spielt es keine Rolle was in China oder Italien passiert wäre. Wir sind in Deutschland, ich messe den juristischen und moralischen Wert der Tat an der Moral die mir hier in diesem Land allgegenwärtig ist. Wie anmaßend und höhnisch muss man nur sein, dass die Frau L. zu schaut und diese Situation nicht desskalliert. Ich finde das heftig und das auf den Uni Campus. Es tut mir wirklich leid, dass es dir widerfahren ist und man merkt dass es dich getroffen hat. Meine Solidarität sichere ich dir zu.

    AntwortenLöschen
  16. Amon,
    mir kommen gerade fast Tränen in die Augen; ich bin wirklich fassungslos.

    Solidarische Grüße aus dem (noch besetzten, aber in die Winterpause genötigten) Regensburg!

    AntwortenLöschen
  17. So ganz nebenbei: Ich habe mich gerade gefragt, ob dir ein Polizist auf dem Uni-Gelände überhaupt einen -Platzverweis- erteilen kann. Ist schlielich kein öffentlicher Raum (müsste das im privaten Raum nicht irgendwas anderes sein). Möglicherweise macht das aber keinen Unterschied. Es war auf jeden Fall ein riesiger Fehler, sich ohne Anwalt dieser Situation zu nähern. Es ist doch hinreichend aus Fernsehen und den Printmedien bekannt, dass potentiell rechtsfreie Räume entstehen, sobald die BePo irgendwo auftaucht. Denen wurde in ihrer "Ausbildung" offensichtlich ja auch nichts anderes als Prügeln beigebracht. Irgendwie ist es ein wenig naiv zu denken, dass solche Leute etwas mit Begriffen wie "Verhandlung", "Deeskalation" oder "Verhältnismäßigkeit" anfangen könnten ... na ja, deine Absicht war ja eine gute.

    AntwortenLöschen
  18. Von wegen Willkür der Staatsmacht... Es gab auch bei dir sicher sehr gute Gründe, dich festzusetzen und dich nicht mit Samthandschuhen zu behandeln. Hättest du dem Platzverweis gleich Folge geleistet wäre es nie zu einer solchen Ausschreitung gekommen. Ich kann gut nachvollziehen dass man etwas rauher vorgeht, wenn man vom pöbelnden Pack tagtäglich mit solchem Mist konfrontiert und womöglich noch verletzt wird.
    Also hört auf so einen Mist zu verbreiten!

    AntwortenLöschen